5. Ein Gutachten angreifen

Wie kann ein ungünstigen Gutachten ausgehebelt werden?

 

Jedes Gutachten ist auf Schlüssigkeit ausgelegt. Wenn es nicht schlüssig ist, kann es allein aus dem Grunde bereits mit Erfolg beanstandet werden. Diese Blöße wird sich kein Sachverständiger geben, es müsste schon ein Anfänger sein.

Weil das Gutachten wie aus einem Guss ist, fällt es besonders schwer, es anzugreifen. Es gibt kein Patentrezept, jedes Gutachten ist anders. Um verbindliche Ausdeutungen und Ratschläge zu erteilen, muss das Gutachten mit Sachverstand interpretiert und analysiert werden, was ich noch anderer Stelle darstellen werde. Hierzu rate ich dringend dazu, eine/n in die Materie der Borreliose eingearbeiteten Rechtsanwalt/Rechtsanwältin und eine/n mit dieser Materie vertraute/-n Mediziner/-in, hinzuzuziehen.

Vorliegend werden einzelne Hilfsmittel dargestellt, wie methodisch vorgegangen werden kann und wie wir das Gutachten systematisch auf Fehler abklopfen können.

Wir prüfen nacheinander die folgenden Punkte:

Sind alle Fakten richtig dargestellt?

Ist die Untersuchung richtig dargestellt oder gibt es Beanstandungen?

Sind die Untersuchungsergebnisse richtig wiedergegeben worden?

Sind alle ärztlichen Berichte und Atteste in das Gutachten eingeflossen?

Wenn nicht, welche sind weggelassen worden?

Können wir dabei Regelmäßigkeiten erkennen? Sind die weggelassen, die unseren Vortrag und unseren Standpunkt gestützt hätten?

Sind alle Argumente, die in den Schriftsätzen standen, mit aufgenommen worden und verarbeitet worden?

Ist dazu Stellung genommen worden?

Hat eine Abwägung stattgefunden oder ist vielmehr einseitig der Vortrag der Gegenseite übernommen worden? Ist der Gutachter ihr ohne Argumente gefolgt?

Sind unsere Argumente mit stichhaltiger Begründung abgelehnt worden?

Ist die Begründung für uns logisch und nachvollziehbar, nicht zu beanstanden oder ist sie widersprüchlich?

Zu welchem Ergebnis führen andere Möglichkeiten? Sind sie erörtert oder einfach weggelassen worden?

Wenn wir die Punkte, die zu beanstanden sind, zusammengestellt haben, rate ich dazu, nochmals das Gutachten und die Beanstandungen zusammen mit einem Arzt Ihres Vertrauens, möglichst einem, der selbst Gutachter ist, durchzugehen, und sich von ihm eine Stellungnahme oder sogar eine Gegenvorstellung abgeben bzw. sogar formulieren zu lassen. Wenn Sie das etwas kosten sollte, das Geld ist gut angelegt.

Die tatsächlichen und rechtlichen Ungenauigkeiten sollte von einem Anwalt, der mit der Erkrankung und den rechtlichen Zusammenhängen bestens vertraut ist, bearbeitet werden.

Dieser kann dem Gericht die Standpunkte vortragen. Das Gericht fordert den Sachverständigen nun auf, nochmals schriftlich zu den Punkten Stellung zu nehmen. Wenn er auf seinem Standpunkt beharrt und diesen verteidigt, sollten Sie seine Argumente mit dem Arzt Ihres Vertrauens durchgehen und dem Gericht seine bzw. auch Ihre Stellungnahme vorgetragen.

Auf jeden Fall sollten Sie anschließend nochmals die Gelegenheit nutzen, den Gutachter auch mündlich das Gutachten in einem Termin begründen zu lassen, um strittige Punkte aufzuklären.

In einem sozialgerichtlichen Verfahren besteht die Möglichkeit, dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen ein privates Gutachten nach § 109 SGG eines Sachverständigen Ihres Vertrauens entgegenzuhalten. Einen solchen Antrag sollten Sie auf jeden Fall stellen, wenn der Gutachter Ihres Vertrauens mit stichhaltigen Gründen das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen entkräften kann.