Rechtsanwältin Julia Gray : Rechtliches

 

Heißes Thema: Sachverständigengutachten

Den Schwerpunkt eines jeden Gerichtsverfahrens stellt bei den uns betreffenden Rechtsstreitigkeiten vor den Zivil- und Sozialgerichten, das ärztliche Sachverständigengutachten dar. Nach Einschätzung der Sozialgerichte findet in rund jedem sechsten sozialgerichtlichen Klageverfahren eine medizinische Begutachtung statt.

Allein von diesem Gutachten hängt meist der Ausgang des Verfahrens ab. Das müssen wir uns ständig vor Augen halten. Das Gericht ist zwar nicht daran gebunden und muss seine Entscheidung selbständig begründen, doch gibt es nur wenige Fälle, in denen die Gerichte anders entschieden haben, als die Gutachten der gerichtlich bestellten Sachverständigen vorgegeben haben. 

Weil es uns allen unter den Nägeln brennt, ist es das erste Thema, das ich in Angriff nehme.

Meine Ausführungen sind gerichtet auf die Bereiche, die uns als Betroffene interessieren. Wir streiten uns vor den Zivilgerichten, meist über Ansprüche gegen private Versicherungen, Schadensersatzansprüche gegen Ärzte und deren Versicherungen, und vor den Sozialgerichten, auf Leistungen von Versicherungen z.B. den gesetzlichen oder privaten Renten-, Unfall- und Krankenversicherungen usw. Bei der Gutachtensproblematik weisen all diese Fälle starke Gemeinsamkeiten auf.

Meine ersten Darstellungen behandeln einzelne voneinander unabhängige Themenschwerpunkte, die aufeinander aufbauen und ineinandergreifen:

  1. Zunächst stelle ich die gesetzlichen Regelungen dar und beschreibe, wie die Beweiserhebung durch das Sachverständigengutachten im Zivilrecht und Sozialrecht gehandhabt wird.
  2. Was mir wichtig erscheint, ist die Darstellung der neuen Regelungen über das Sachverständigengutachten, die im November 2016 in Kraft getreten ist und die Einschätzungen der Fachleute zu der Gesetzesvorlage. Insbesondere diese Einschätzungen haben mich überrascht. Ich frage Sie, wie die Akzeptanz der Gutachten, insbesondere in den sozialgerichtlichen Verfahren bei Ihnen tatsächlich ist? Ist es wirklich so positiv, wie die Sozialrichter es darstellen?
  3. Das dritte Thema ist der Aufbau und die Struktur des Gutachtens. Nur wenn wir diese Struktur kennen und uns damit vertraut machen, können wir die wesentlichen Probleme erfassen und eine Strategie aufbauen, um den Gutachter in seiner Arbeit zu unterstützen und uns im Ergebnis zu unserem Recht zu verhelfen. Wenn das nicht gelingt, muss zu anderen Mitteln gegriffen werden.
  4. Dann kommt eine weitere Kernfrage: wie bereiten wir uns auf das Gutachten vor und wie verhalten wir uns bei der Untersuchung eines Sachverständigen? Leider erlebe ich immer wieder, dass sich viele Betroffene nicht ausreichend und zielgerichtet auf diese Situation vorbereiten, den Gutachter nicht unterstützen, ihm nicht die wichtigen Informationen liefern, mit dem Ergebnis, dass das Gutachten zum Nachteil des Betroffenen ausfällt. Vielfach kommen Betroffene erst auf mich zu, wenn das Gutachten negativ ausgefallen ist. Dann ist eine große Chance vertan, und es muss im Nachhinein nachgebessert werden, was nicht einfach ist. Wir sollten insbesondere bedenken, dass ein Gutachter, wenn er sein Gutachten einmal erstellt hat, das Ergebnis verteidigen wird, allein schon, um sein Gesicht nicht zu verlieren, es sei denn, er ist völlig falschen Informationen aufgesessen. Das wird aber nur in den seltensten Fällen dargestellt werden können.  Es ist daher besser und in unserem Sinne, wenn der Gutachter alle Fakten kennt, die er zu beachten hat und er alle Informationen von uns erhält, die seine Entscheidung herbeiführen.
  5. Das größte Problem, für dessen Lösung es kein Patentrezept gibt, ist es, ein bestehendes Gutachten zu widerlegen oder auszuhebeln. Es können hierzu lediglich Möglichkeiten aufgezeigt werden, die Lücken und Fehler zu finden. Stichwortartig werden im vorläufig letzten Kapitel Fragen zusammengestellt, die sich in der Praxis bei der Suche bewährt haben.

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