Coinfektionen
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Außer der Borreliose können von der Zecke weitere Krankheitserreger (Viren, Bakterien, einzellige oder mehrzellige Parasiten) übertragen werden, die häufig von ihren Zwischenwirten einer vorangegangenen Blutmahlzeit aufgenommen wurden. Diese können in ihr überleben und sich ggf. sogar in ihr vermehren und verwandeln oder einfach nur an dem Stechorgan anhafteten. Eine Häufung von verschiedenen Erregern kann ein deutlich schwereres Krankheitsbild verursachen als die Borreliose für sich alleine. Ähnliche Krankheitsbilder können aber auch von anderen Erregern verursacht werden, die den menschlichen Körper völlig unabhängig von dem Zeckenstich befallen haben. Die Unterscheidung zwischen den diversen Erregern und den durch sie ausgelösten Erkrankungen sowie das Bewerten und Einschätzen ihrer Bedeutung für das gesamte Krankheitsgeschehen erfordern langjährige klinische Erfahrung auf diesem speziellen Gebiet, ebenso wie die Planung und Durchführung der notwendigen zielgerichteten Therapien.
Im Folgenden sollen in Kürze die am häufigsten auftretenden Krankheitserreger dargestellt werden. Wer es genauer wissen will, kann unter den jeweiligen Stichworten im Internet weiter recherchieren.
Die FSME (Frühsommer- Meningoenzephalitis) ist eine durch Zecken, hauptsächlich durch den gemeinen Holzbock, übertragene Virusinfektion. Sie kann aber auch durch den Konsum von Rohmilch infizierter Tiere verursacht werden. Die FSME tritt gehäuft in bestimmten Gebieten Deutschlands – Baden-Württemberg, Bayern und Südhessen sowie im Landkreis Marburg-Biedenkopf, vereinzelt auch in Thüringen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und dem Saarland – auf. Nach Hochrechnungen trägt jede 20.000ste Zecke den Virus in sich. In Epidemiegebieten in Deutschland sind ca. 0,1 – 1,5 % der Zecken befallen. Die FSME verursacht neurologische Symptome und führt zur Entzündung des Gehirns oder der Hirnhäute. Noch während des Stichs werden die in den Speichelzellen der Zecke befindlichen Viren übertragen. Die Wirkung beginnt sofort nach dem Stich, sobald sich während des Saugvorgangs die Virenlast so gesteigert hat, dass die notwendige Anzahl für einen Krankheitsausbruch erreicht ist. Anders als die Bezeichnung Frühsommer- Meningoenzephalitis vermuten lässt, kann die Infektion während der gesamten Zeckensaison übertragen werden. Gegen die FSME ist eine Schutzimpfung möglich. Eine bestehende Infektion wird durch eine symptomatische Therapie behandelt.
Die Bartonella henselae (Erreger der Katzenkratzkrankheit) ist eine parasitische Bakterie, die sich in den Zellen der Lymph- und Blutgefäße oder den roten Blutkörperchen einnistet. Den Namen bekam sie, weil lange Zeit nur die Katzen bzw. die Katzenflöhe als Überträger bekannt waren. Nach neuesten Erkenntnissen werden die Bakterien aber von allen Arten von Insekten, so auch von der Zecke, übertragen. Bei ca. 41 % der Patienten mit einer Lyme-Borreliose wurde eine Bartonella diagnostiziert. Bartonellen lösen verschiedene Arten von Infektionskrankheiten aus, die für Patienten mit geschwächtem Immunsystem lebensbedrohlich werden können. Bei gesunden Menschen ist die Krankheit nicht gefährlich, jedoch oft langwierig. Symptome der Katzenkrankheit sind wiederkehrendes Fieber, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Gelenk- und Muskelschmerzen, Arthropathien, Myalgien, neurokognitive und neuromotorische Dysfunktionen, bis hin zu Krampfanfällen. Behandelt wird die Bartonella mit Antibiotika, insbesondere Levofloxacin.
Die Ehrlichiose gehört zu den erst in den letzten Jahren beschriebenen Infektionskrankheiten. Das liegt daran, dass sie infolge der Nichtanzüchtbarkeit mit klassischen mikrobiologischen Verfahren bisher selten diagnostiziert wurde. In Süddeutschland sollen etwa 1,6 bis 4 % der Zecken (gemeiner Holzbock) mit granulozytären Ehrlichien infiziert sein. Die Erreger sind Bakterien, die intrazellulär weiße Blutzellen befallen und sich dort vermehren. Bei etwa der Hälfte der Infizierten bleibt der Befall unbemerkt und verläuft ohne Symptome. Bei der anderen Hälfte treten ein bis zwei Wochen nach dem Zeckenstich hohes Fieber auf, starke Kopfschmerzen, Leibschmerzen, Übelkeit, Durchfälle und Erbrechen, häufig verbunden mit einer Hautrötung. Je nach der Immunkompetenz des Betroffenen kann die Infektion mild verlaufen, schlimmstenfalls können begleitenden Atemwegserkrankungen, Herzmuskelentzündung (Myokarditis), Leber- und Nierenfunktionsstörungen, Auflösung quergestreifter Muskelfasern (Rhabdomyolyse), in seltenen Fällen auch neurologische Störungen auftreten. In Endemiegebieten, besteht die Gefahr von Doppelinfektionen mit Ehrlichiosen und Borrelien. Die Symptome auch der Ehrlichiosen klingen unter einer Behandlung mit einem Breitbandantibiotikum (Doxycyclin beziehungsweise Tetracyclin) in wenigen Tagen ab. Neueren Erkenntnissen zufolge könnte die Entwicklung eines Impfstoffs gegen die Ehrlichiose möglich sein.
Rickettsien sind Bakterien, die auch durch verschiedene Spinnentiere u.a. von Zecken übertragen werden. Es gibt sehr viele Arten von Rickettsien, so wird auch die Ehrlichiose hierzu gerechnet, wobei manche weltweit vorkommen, andere dagegen an bestimmte Regionen gebunden sind. In verschiedenen Regionen Süddeutschlands wurden umfangreiche molekularbiologische Untersuchungen bei mehr als 3.500 Zecken (gemeiner Holzbock) durchgeführt und insgesamt fünf verschieden Arten von Rickettsien festgestellt.Die Krankheitserscheinungen der unterschiedlichen Rickettsiosen sind sich ähnlich. Beim Menschen dringen die Bakterien, mit einem ausschließlich intrazellulären Vermehrungszyklus, in die Wände der Blutgefäße ein. Dadurch kommt es zu charakteristischen Einblutungen aus den feinen Kapillaren in die Haut oder den Schleimhäuten. Diese Einblutungen sind punktförmig. Häufig tritt eine Entzündung der Lymphknoten auf. Schwere Verläufe bei bestimmten Erregern können zu einer Enzephalitis und zu ausgeprägten Hautveränderungen oder Hautschädigungen mit Gewebsuntergängen (Nekrosen), muskulären und neurologischen, teilweise sogar kardiologischen Problemen führen. Nachgewiesen werden Rickettsien durch Labortests. Behandelt wird mit einem Breitband-Antibiotikum, das sofort, bei einem hinreichenden Verdacht, eingesetzt werden muss. Eine frühzeitige Behandlung ist sehr wichtig.
Babesien (in Deutschland am häufigsten Babesia microti) sind Erreger, die im Mittelmeerraum, der Ostküste der USA und im Alpenraum verbreitet sind. Sie werden durch Zecken übertragen. Eine Studie aus Österreich hat Barbesien in etwa 35% der Zecken nachgewiesen. Die Erreger sind für den Menschen nicht sehr gefährlich. Wenn das Immunsystem vorher schon geschwächt war, können sie grippeähnliche Symptome, verbunden mit Muskelschmerzen, Fieber, Gelenkschmerzen, dunklem Urin und Milzvergrößerung auslösen.
Der Bornavirus wird von Mensch zu Mensch übertragen, häufig aber auch durch Pferde. Über die Nasenschleimhäute gelangt das Virus entlang den Nervenfasern auf direktem Weg ins limbische System des Gehirns, wo er sich bevorzugt vermehrt. Er wird sehr häufig im frühen Kindesalter bereits nachgewiesen, wird aber meist vom normalen Immunsystem unterdrückt. In den allermeisten Fällen bleiben die Kinder symptomfrei.Der Bornavirus verbleibt aber in den Nervenzellen, wo er jederzeit reaktiviert werden und sich vermehren kann. Wenn das Immunsystem ihn nicht mehr unterdrücken kann, löst er neurologische Symptome aus. Meist tritt der Bornavirus aber als Mischinfektion auf, sehr häufig zusammen mit Borreliose, Herpesviren und dem Pilz Candida albicans. Es ist daher schwierig, die Erkrankungen exakt einem der Erreger zuzuordnen. Auswirkungen des Bornavirus, der sich im Nervensystem dauerhaft einnistet. finden sich besonders bei psychiatrischen Störungen, die auch mit neurologischen Auffälligkeiten einhergehen können. Häufig betroffen ist vor allem das limbischen System im Gehirn, in welchem Gefühle und Emotionen kontrolliert werden mit der Folge von kognitiven und emotionalen Störungen und Verhaltensänderungen. Das Bornavirus ist u.a. beteiligt am klinischen Krankheitsbild von manisch-depressiven Störungen, Schizophrenie, am Chronic Fatique Syndrom (CFS). Bei Jugendlichen kann er u.a. ursächlich sein für motorische Unruhe, mit der Folge von Lernschwierigkeiten (ADHS), Borderline, Gang- und Konzentrationsstörungen, Denkschwierigkeiten, Lese- und Schreibschwierigkeiten, Wortfindungsstörungen, Vergesslichkeit und Verwirrtheit. Bei anhaltender Virusaktivität ist eine Therapie angeraten, die die Virusvermehrung unterbindet. Die Therapie richtet sich nach den jeweils auftretenden Symptomen.
Chlamydia pneumoniae wird durch Tröpfcheninfektion verbreitet. Der Erreger befällt die Lunge und die Atemwegen und verursacht zunächst dort entsprechende Beschwerden einschließlich Entzündungen in den Nasennebenhöhlen. In der Spätphase kann ein Übergreifen auf die Gelenke, das Nervensystem und die Muskulatur, insbesondere Skelettmuskulatur, erfolgen und begünstigt damit die Entstehung von Arteriosklerose. Wird die Erkrankung erst spät festgestellt, sollte sie daher auch dann noch gezielt behandelt werden. Behandelt wird sie in der Regel mit Antibiotika, vorzugsweise Azithromycin und Clarithromycin.
Yersinien, sind nicht ganz ungefährliche Darmbakterien, die in rohem Fleisch, im Kot von Haus- und Wildtieren, (z. B. Hunden, Vögel, Kaninchen, Füchsen) vorkommen und insbesondere auch über ungewaschenem Salat, anderes Gemüse und Obst übertragen werden können. Im Akutstadium lösen sie Durchfälle aus, wobei das Immunsystem bei den meisten Menschen die Yersinien erfolgreich bekämpft. Bei schwereren Verläufen kann der Einsatz von Antibiotika (Tetracyklin und Doxycyclin) notwendig werden. Im Spätstadium sind Yersinien verantwortlich für schmerzhafte Muskel- und Gelenkentzündungen (Yersinien-induzierte Arthritis), und können zu neurologischen, neuropsychologischen und neurokognitiven Störungen führen. Betroffen sind insbesondere die Gelenke der unteren Körperhälfte – Knie, Sprunggelenke und Zehen –. Manche Patienten haben auch tiefsitzende Kreuzschmerzen, die auf eine Entzündung der Kreuz-Darmbein-Gelenke hindeuten. Vermutet wird, dass etwa 15 % der Yersinien-Infizierten derartige Komplikationen haben, es fehlen jedoch genaue Untersuchungen hierzu. Behandelt wird die reaktive Arthritis mit Antirheumatika, wobei bei Gelenkentzündungen kortisonfreie Entzündungshemmer zum Einsatz kommen.